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Mindestabstandsgebote zwischen Spielhallen in Zeiten virtuellen Automatenspiels, verpflichtender Einlasskontrollen und zertifizierter Akkreditierung
Neue Zeitschrift für Verwaltungsrecht, Heft 17/2022, S. 1241-1247
Professor Dr. Bernd J. Hartmann, LL. M. (Virginia), und Dipl.-Jur. Henning Schaaf
Die Mindestabstandsgebote für Spielhallen, wie sie im Glücksspielstaatsvertrag (GlüStV) 2021 festgelegt sind, stehen zunehmend im Fokus rechtlicher und wissenschaftlicher Kritik. Ziel dieser Vorschriften ist es, die Verfügbarkeit von Glücksspiel einzuschränken und eine „Abkühlungsphase“ für Spieler zu gewährleisten. Doch die Analyse zeigt, dass diese Ziele durch die bestehenden Regelungen kaum erreicht werden, und wirft grundlegende Fragen zur Verfassungs- und Unionsrechtskonformität auf.
Ein zentraler Kritikpunkt ist das Fehlen eines empirisch belastbaren Nachweises, dass Mindestabstände zwischen Spielhallen tatsächlich zu einer „Abkühlung“ des Spielverhaltens führen. Während der Gesetzgeber nach dem Grundgesetz eine weite Einschätzungsprärogative genießt, greift diese nach unionsrechtlichen Vorgaben nicht. Hier ist der Gesetzgeber verpflichtet, die behaupteten Zusammenhänge mit empirischen Daten zu belegen. Dieser Nachweis kann jedoch nach derzeitiger Studienlage nicht angetreten werden: Es liegen bloß bestrittene, nicht hinreichend auf die hiesigen Verhältnisse bezogene Studien aus dem Ausland vor. Die Behauptung einer Abkühlungswirkung bleibt spekulativ und genügt unionsrechtlichen Nachweispflichten nicht.
Besonders problematisch ist die ungleiche Behandlung von virtuellem und terrestrischem Automatenspiel. Virtuelles Automatenspiel ist laut Legaldefinition eine Nachbildung des terrestrischen Automatenspiels. Dennoch sind sie regulatorisch weniger eingeschränkt als terrestrische Spielhallen. Während Mindestabstandsregeln für Spielhallen gelten, können Spieler virtuelles Glücksspiel ohne Unterbrechung fortsetzen. Diese regulatorische Diskrepanz macht die Mindestabstandsgebote faktisch wirkungslos und untergräbt die Kohärenz der Regulierung.
Mit dem GlüStV 2021 wurden erstmals bundesweit verpflichtende Zutrittskontrollen und einheitliche Spielersperrsysteme für (fast) alle Glücksspielformen eingeführt. Diese Maßnahmen schaffen eine physische und soziale Barriere. Sie stellen somit jene Zäsur dar, die durch eine Abkühlungsphase gewährleisten werden soll, jedoch weitaus effektiver als reine Abstandsregelungen. Die Kombination von Mindestabständen und diesen neuen Schutzmaßnahmen führt zu additiven Eingriffen in die Berufsfreiheit der Spielhallenbetreiber, die weder erforderlich noch verhältnismäßig sind.
Der GlüStV 2021 sieht Ausnahmen von Mindestabständen für akkreditiert zertifizierte Spielhallen vor, die über die gesetzlichen Vorgaben hinausgehende Maßnahmen zum Spielerschutz implementieren. Allerdings gelten diese Ausnahmen nur für Mehrfachspielhallen in einem Gebäudekomplex, nicht jedoch für Spielhallen in Abstandskonkurrenz, selbst wenn diese die gleichen Qualitätsstandards erfüllen. Diese ungleiche Behandlung ist widersprüchlich und sachlich nicht gerechtfertigt.
Mindestabstandsgebote basieren auf pauschalen Typisierungen, die regionale Unterschiede wie Besiedlungsdichte oder Bebauungsstruktur ignorieren. Allgemein gültige Abstände je nach Bundesland zwischen 100 und 500 Metern überschreiten die gesetzgeberische Einschätzungsprärogative, da sie weder auf empirischen Erkenntnissen beruhen noch differenzierte Regelungsbedarfe berücksichtigen.
Mindestabstandsgebote sind nicht mehr zeitgemäß und erfüllen weder die unions- noch die verfassungsrechtlichen Anforderungen. Sie erweisen sich als ungeeignet, die angestrebten Ziele des Spielerschutzes zu erreichen. Zukunftsweisend ist das Modell Nordrhein-Westfalens, das eine Verringerung der Abstände bei Erfüllung hoher Qualitätsstandards ermöglicht. Die Abschaffung oder zumindest eine erhebliche Anpassung der Mindestabstandsgebote erscheint dringend geboten.
Die Mindestabstandsgebote zwischen Spielhallen, wie sie im GlüStV 2021 festgelegt sind, stehen unter wachsender Kritik: Weder fördern sie nachweislich eine Abkühlung des Spielverhaltens, noch genügen sie unionsrechtlichen Anforderungen. Angesichts effektiverer Schutzmaßnahmen wie verpflichtender Einlasskontrollen und Spielersperrsystemen erscheinen die pauschalen Abstandsregeln unverhältnismäßig und nicht mehr zeitgemäß. Eine Reform, die regionale Unterschiede und Qualitätsstandards stärker berücksichtigt, ist dringend erforderlich.
Andere Studien
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Die Mindestabstandsgebote für Spielhallen, wie sie im Glücksspielstaatsvertrag (GlüStV) 2021 festgelegt sind, stehen zunehmend im Fokus rechtlicher und wissenschaftlicher Kritik. Ziel dieser Vorschriften ist es, die Verfügbarkeit von Glücksspiel einzuschränken und eine „Abkühlungsphase“ für Spieler zu gewährleisten. Doch die Analyse zeigt, dass diese Ziele durch die bestehenden Regelungen kaum erreicht werden, und wirft grundlegende Fragen zur Verfassungs- und Unionsrechtskonformität auf.
Ein zentraler Kritikpunkt ist das Fehlen eines empirisch belastbaren Nachweises, dass Mindestabstände zwischen Spielhallen tatsächlich zu einer „Abkühlung“ des Spielverhaltens führen. Während der Gesetzgeber nach dem Grundgesetz eine weite Einschätzungsprärogative genießt, greift diese nach unionsrechtlichen Vorgaben nicht. Hier ist der Gesetzgeber verpflichtet, die behaupteten Zusammenhänge mit empirischen Daten zu belegen. Dieser Nachweis kann jedoch nach derzeitiger Studienlage nicht angetreten werden: Es liegen bloß bestrittene, nicht hinreichend auf die hiesigen Verhältnisse bezogene Studien aus dem Ausland vor. Die Behauptung einer Abkühlungswirkung bleibt spekulativ und genügt unionsrechtlichen Nachweispflichten nicht.
Besonders problematisch ist die ungleiche Behandlung von virtuellem und terrestrischem Automatenspiel. Virtuelles Automatenspiel ist laut Legaldefinition eine Nachbildung des terrestrischen Automatenspiels. Dennoch sind sie regulatorisch weniger eingeschränkt als terrestrische Spielhallen. Während Mindestabstandsregeln für Spielhallen gelten, können Spieler virtuelles Glücksspiel ohne Unterbrechung fortsetzen. Diese regulatorische Diskrepanz macht die Mindestabstandsgebote faktisch wirkungslos und untergräbt die Kohärenz der Regulierung.
Mit dem GlüStV 2021 wurden erstmals bundesweit verpflichtende Zutrittskontrollen und einheitliche Spielersperrsysteme für (fast) alle Glücksspielformen eingeführt. Diese Maßnahmen schaffen eine physische und soziale Barriere. Sie stellen somit jene Zäsur dar, die durch eine Abkühlungsphase gewährleisten werden soll, jedoch weitaus effektiver als reine Abstandsregelungen. Die Kombination von Mindestabständen und diesen neuen Schutzmaßnahmen führt zu additiven Eingriffen in die Berufsfreiheit der Spielhallenbetreiber, die weder erforderlich noch verhältnismäßig sind.
Der GlüStV 2021 sieht Ausnahmen von Mindestabständen für akkreditiert zertifizierte Spielhallen vor, die über die gesetzlichen Vorgaben hinausgehende Maßnahmen zum Spielerschutz implementieren. Allerdings gelten diese Ausnahmen nur für Mehrfachspielhallen in einem Gebäudekomplex, nicht jedoch für Spielhallen in Abstandskonkurrenz, selbst wenn diese die gleichen Qualitätsstandards erfüllen. Diese ungleiche Behandlung ist widersprüchlich und sachlich nicht gerechtfertigt.
Mindestabstandsgebote basieren auf pauschalen Typisierungen, die regionale Unterschiede wie Besiedlungsdichte oder Bebauungsstruktur ignorieren. Allgemein gültige Abstände je nach Bundesland zwischen 100 und 500 Metern überschreiten die gesetzgeberische Einschätzungsprärogative, da sie weder auf empirischen Erkenntnissen beruhen noch differenzierte Regelungsbedarfe berücksichtigen.
Mindestabstandsgebote sind nicht mehr zeitgemäß und erfüllen weder die unions- noch die verfassungsrechtlichen Anforderungen. Sie erweisen sich als ungeeignet, die angestrebten Ziele des Spielerschutzes zu erreichen. Zukunftsweisend ist das Modell Nordrhein-Westfalens, das eine Verringerung der Abstände bei Erfüllung hoher Qualitätsstandards ermöglicht. Die Abschaffung oder zumindest eine erhebliche Anpassung der Mindestabstandsgebote erscheint dringend geboten.